Den Energiebedarf begreifbar machen

Mit dem Energiefahrrad muss man ordentlich strampeln, um eine Küchenmaschine zu betreiben. Damit wird die Energieeinheit Kilowattstunde begreifbar.
Regenerative Energien im Physikunterricht am GSG
Im Jahr 2023 betrug der Primärenergiebedarf in Deutschland 10,6 Petajoule, ausgeschrieben 10 630 000 000 000 000 000 Joule. Eine Zahl, unter der man sich nichts vorstellen kann? So dachten die Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs am Graf-Stauffenberg-Gymnasium anfangs auch – bis die Physiklehrkräfte ein Fahrrad in den Physikraum schoben. Wenn man diesen jährlichen Energiebedarf auf „pro Tag und Person“ herunterrechnet, so ergibt sich die viel übersichtlichere Zahl von 100 Kilowattstunden (kWh). Und was eine Kilowattstunde ist, das lässt sich im Wortsinn begreifbar machen durch ein Fahrrad, das auf einer speziellen Trainingsrolle steht. Diese kann die von den Strampelnden aufgebrachte Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandeln und ist das neueste Experimentiergerät in der Physiksammlung am GSG. Es macht nicht nur Spaß, die Energie für eine Lampe, eine Küchenmaschine oder einen Bildschirm selbst zu erzeugen, sondern hat auch einen hohen Bildungswert: Es müsste etwa 10 Stunden stramm in die Pedale getreten werden, um nur 1 Kilowattstunde Energie zu erhalten. Und wir erinnern uns: Jede Person in Deutschland braucht 100 davon – Tag für Tag.
Die Unterrichtsstunde mit dem Fahrrad bildete den Einstieg in eine Unterrichtsreihe zum Thema Klimawandel und regenerative Energien, die den Physikunterricht des zweiten Halbjahres bis zu den Sommerferien ausfüllte. Im weiteren Verlauf wurden alle Möglichkeiten der regenerativen Energieerzeugung (Photovoltaik, Windenergie, Wasserenergie, Geothermie und Biomasse) physikalisch beleuchtet. Zentral war jeweils eine quantitative Abschätzung, wie hoch der jeweilige Beitrag zur Primärenergie sein könnte, beispielsweise im Fall der Fotovoltaik, wenn alle geeigneten Dächer und dazu auch noch 1 % der Fläche Deutschlands mit Solarmodulen belegt werden. Für viele war es ein erstaunliches Ergebnis, dass damit (nur) etwa 30 der notwendigen 100 Kilowattstunden gedeckt werden können. Die spannende Frage, die den gesamten Unterricht durchzog, bestand darin, ob die Benchmark von 100 kWh durch alle regenerativen Energien zusammen erreicht werden kann. Das Ergebnis am Ende: Ja, es ist möglich, aber es ist keine Selbstverständlichkeit. In der letzten Physikstunde wurde das Ergebnis reflektiert. „Jetzt habe ich eine Vorstellung davon, welches energetische Potenzial in den verschiedenen Energien steckt, aber auch, was dafür getan werden muss, um diese Potenziale auszuschöpfen“, so eine Schülerin. Moderner Physikunterricht kann damit einen wichtigen Beitrag leisten, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sachorientiert und fundiert im notwendigen Transformationsprozess mitzureden.
Das Energiefahrrad wurde finanziert durch das gemeinsame Förderprogramm der DPG und der WE-Heraeus-Stiftung. Die Physikfachschaft des GSG bedankt sich sehr herzlich für die großzügige Unterstützung.